Seit dem Jahr 1956 ist die linke Seitenkapelle der Kaasgrabenkirche im 19. Bezirk die wichtigste Gedenkstätte der Donauschwaben in Wien, in der an die Verstorbenen gedacht wird, die im Zuge von Vertreibung, Internierung, Deportierung oder Kriegsgefangenschaft in fremder Erde begraben wurden. Der gemeinsame Messebesuch in der Kirche Maria Schmerzen am Kaasgraben im November jeden Jahres, früher auch am Pfingstmontag, und das anschließende Totengedenken ist lange Tradition des Schwabenvereins gemeinsam mit dem Verein der Filipowaer. Obwohl schon in vielen Mitteilungsblättern des Schwabenvereins über die Entstehung und die Gestaltung der Kapelle geschrieben wurde, sei hier zusammenfassend ein kurzer Überblick geboten.
Den Anstoß für die Neugestaltung der Kapelle kam 1955 vom St. Michaelswerk, der organisierten Selbsthilfe der katholischen Donauschwaben. Wien als ehemalige Hauptstadt der Habsburgermonarchie wurde als bester Ort für die donauschwäbische Gedenkstätte gesehen. Unter der Leitung von Pater Dr. Michael Lehmann wurde an den für die Betreuung der Kaasgrabenkirche zuständigen Orden der Oblaten des Heiligen Franz von Sales der Antrag gestellt, die bestehende linke Seitenkapelle als Totengedenkstätte der Donauschwaben einrichten zu dürfen. Nach der Zustimmung erfolgte eine große Spendenaktion bei den donauschwäbischen Heimatvertriebenen in aller Welt. Ein Ideenwettbewerb wurde ausgeschrieben, ein Arbeits- und ein Ehrenausschuss gebildet, dem u.a. der Nationalratspräsident Dr. Hurdes und der Unterrichtsminister Dr. Drimmel angehörten. Mit der baulichen Planung wurde der aus Werschetz stammende Architekt Dr. Helmut Frisch betraut. Die künstlerische Gestaltung erfolgte durch Kurt Cernia und durch den aus dem Ofener Bergland stammenden akademischen Maler Josef de Ponte. Dieser wurde durch eine Vielzahl von künstlerischen Arbeiten in anderen Ländern weit über die deutschsprachigen Grenzen hinaus bekannt. Die feierliche Einweihung der Donauschwabenkapelle fand im September 1956 unter Kardinal-Koadjutor Franz Jachym statt; die Festrede hielt Dr. Hurdes.
Am Eingang der Kapelle erinnern die beiden Symbole Ähren und Kreuz an Leben und Tod im Donauraum. Das an der Rückwand befestigte Eichenkreuz ersetzt die über den Gräbern in fremder Erde fehlenden Kreuze. An der linken Wand zeigt ein Mosaik die Hauptphasen der donauschwäbischen Geschichte: Einwanderung, Blütezeit und Vertreibung. An der Fensterseite zeigt ein Sgraffito in schematischer Darstellung das Siedlungsgebiet der Donauschwaben und die Vernichtungslager Gakowo, Jarek, Kruschewil, Mitrowitz, Molidorf und Rudolfsgnad.
Das rechte Glasfenster zeigt den Erzengel Michael, der eine donauschwäbische Familie (vor den Thron Gottes) geleitet. Im Hintergrund sind Kirchen des ehemaligen Siedlungsraums sichtbar. Im linken Glasfenster überreicht König Stephan I. von Ungarn in Anwesenheit des heiligen Gerhard, Bischof von Tschanad, seinem Sohn und Nachfolger sein politisches Testament, in dem er eine gute Behandlung der fremden Völker im ungarischen Reich empfiehlt.
Vor dem Holzkreuz liegt auf einem schwarzen Sockel unter Glas das Totenbuch der donauschwäbischen Opfer während des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit. An den Seitenflächen sind alle Ortschaften der historischen Siedlungsgebiete der Donauschwaben angeführt, darunter die Batschka mit 94 und das westliche Banat mit 72 Orten.
Dipl. Ing. Manfred Korhammer und Dr. Robert Wolf